Ende August schrieb Wolfgang Fischer folgenden offenen Brief an Bernd Lange von der SPD, der an einigen Veranstaltungen in Braunschweig und Umgebung zu TTIP (Handelsabkommen mit den USA) teilgenommen hatte. CETA, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada gilt als "Blaupause" für TTIP:
Offener Brief
Herrn
Bernd Lange
Mitglied des Europäischen Parlaments
EUROPÄISCHES PARLAMENT
ASP 12 G 265, Rue Wiertz, B-1047 Bruxelles
Sehr geehrter Herr Lange,
nach meinem Kenntnisstand sind die Verhandlungen über das
europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA inzwischen abgeschlossen. Und
offenbar enthält das fertige Dokument, das Ihnen als Vorsitzender des
Handelsausschusses des Europäischen Parlaments vorliegen dürfte, doch die
umstrittenen Investitionsschutzklauseln. Diese erlauben es kanadischen
Konzernen (auch kanadischen Tochterfirmen US-amerikanischer oder gar
europäischer Konzerne), die EU sowie ihre Mitgliedsstaaten und Bundesländer
außerhalb der demokratisch legitimierten Gerichtsbarkeit vor Schiedsgerichten zu
verklagen, sofern sie sich durch rechtsstaatliches Agieren von Behörden oder
durch Gesetze und Verordnungen in ihren Aktivitäten eingeschränkt und ihre
Gewinne dadurch geschmälert sehen. Trotz der fundierten Einwände einer sehr
großen Anzahl höchst besorgter EU-Bürger im ISDS-Konsultationsverfahren, und
auch darüber hinaus, wurden die vorgebrachten Argumente von der EU-Kommission
hier de facto offenbar komplett ignoriert. Dies alles dürfte Ihnen bekannt
sein.
Von Ihnen als niedersächsischem EU-Parlamentarier, SPD-Politiker und
Vorsitzenden des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments möchte ich gern
wissen, wie Sie persönlich jetzt zu CETA stehen und wie sie gedenken, hier
vorzugehen und letztendlich abzustimmen. Ich erinnere mich noch allzu gut an die
Veranstaltung zur EU-Parlamentswahl im Braunschweiger Altstadtrathaus Anfang des
Jahres, wo Sie sich als Podiumsmitglied explizit dahingehend geäußert haben,
dass ein „Freihandelsabkommen“ mit diesen Investitionsschutzregeln Ihre
Zustimmung auf keinen Fall erhalten werde. Ist dies immer noch der Fall? Falls
ja, müssten Sie ja CETA in der vorliegenden Form doch wohl ablehnen, oder?
Darüber hinaus interessiert auch die aktuelle Position der SPD zu CETA.
Können Sie auch dazu Stellung beziehen?
Über eine baldige Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen. Der Form
halber möchte ich darauf hinweisen, dass ich mir in Anbetracht der Relevanz von
CETA erlauben werde, Ihre - hoffentlich erfolgende - Stellungnahme einem breiten
Personenkreis zukommen zu lassen.
Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich im Voraus ganz herzlich.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Fischer
Er bekam folgende Antwort:
Sehr
geehrter Herr Dr. Fischer,
vielen
Dank für Ihre Nachricht. Bernd Lange bat mich, Ihnen zu antworten.
Anbei
erhalten Sie das aktuelle Positionspapier von Bernd Lange zum Abkommen
EU-Kanada: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/mdep_lange_-_ceta_positionspapier_september_2014_..pdf
Mit
freundlichen Grüßen
Anne
Bartels
und hier nun seine Erwiderung:
Sehr geehrter Herr Lange,
eigentlich hatte ich von Ihnen eine konkrete, persönliche Antwort zu
meiner Anfrage vom 30.08. (s. u.) erwartet und nicht, dass Sie mich mit Ihrem
CETA-Positionspapier einfach abspeisen.
Darin wird der Eindruck vermittelt, als könnten sich hinsichtlich der
Investitionsschutzklauseln noch relevante Änderungen ergeben. Das ist natürlich
Unsinn, denn CETA ist inzwischen ausverhandelt und wird in Kürze paraphiert
werden, und Sie können doch wohl nicht im Ernst erwarten, dass die
EU-Kommission, die – allen voran Barroso, de Gucht und Öttinger - inzwischen zu
einem reinen Ausführungsorgan der Konzerne und ihrer Lobbyisten verkommen ist,
hier noch einmal aktiv zu werden gedenkt.
Was haben Sie persönlich denn bisher überhaupt gegen die
demokratiefeindlichen Investitionsschutzregeln unternommen, die Ihnen angeblich
ja nicht gefallen und die vor allem Konzerninteressen festschreiben und über die
der Bürger stellen. Warum hört man hier denn nichts seitens der SPD-Führung? In
der öffentlichen Wahrnehmung zumindest ist da bis dato noch nichts angekommen,
man laviert hier einfach nur herum. Auch wenn man Ihr Papier liest, muss sich
der Eindruck aufdrängen, dass man CETA letztendlich abnicken wird und die
Investitionsschutzregeln dann als „kleineres Übel“ akzeptiert.
Sind Ihnen die Konsequenzen dieser ISDS-Regeln denn überhaupt nicht
bewusst? Wissen Sie denn nicht, dass unsere demokratischen Grundrechte damit in
elementarer Weise ausgehebelt werden können?
Sie kennen doch das perfide Beispiel von Vattenfall, das Deutschland wegen
des Atomausstieges mit Bezug auf die Energiecharta aktuell hinter
verschlossenen Türen auf mutmaßliche 4 Milliarden € Schadenersatz (das sind etwa
2% unseres Bundeshaushaltes!!) verklagt - auf der anderen Seite aber das
Atomgeschäft in Brunsbüttel und Krümmel auf Betreibergesellschaften mit geringem
Stammkapital übertragen hat, wohl mit der Zielsetzung, sich später der hohen
Kosten für die Entsorgung der Abfälle und den Rückbau der Atommeiler zu Lasten
der Steuerzahler zu entledigen. Was halten Sie denn davon?
Insofern möchte ich auch konkret von Ihnen wissen, wie Sie hier vorzugehen
gedenken und wie Sie letztendlich zu diesem vorliegenden CETA-Vertrag abstimmen
werden. Als Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlamentes sind Sie hier
aus meiner Sicht in vorderster Front mitverantwortlich! Machen Sie sich nicht zu
einem der Totengräber unserer Demokratie!
Über eine baldige Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Der Form halber
weise ich noch einmal darauf hin, dass ich die gesamte Korrespondenz mit Ihnen
einem breiten Personenkreis zugänglich machen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Fischer
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