Mittwoch, 10. September 2014

CETA I

Ende August schrieb Wolfgang Fischer folgenden offenen Brief an Bernd Lange von der SPD, der an einigen Veranstaltungen in Braunschweig und Umgebung zu TTIP (Handelsabkommen mit den USA) teilgenommen hatte. CETA, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada gilt als "Blaupause" für TTIP:
 
Offener Brief

Herrn
Bernd Lange
Mitglied des Europäischen Parlaments
EUROPÄISCHES PARLAMENT
ASP 12 G 265, Rue Wiertz, B-1047 Bruxelles

Sehr geehrter Herr Lange,

nach meinem Kenntnisstand sind die Verhandlungen über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA inzwischen abgeschlossen. Und offenbar enthält das fertige Dokument, das Ihnen als Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments vorliegen dürfte, doch die umstrittenen Investitionsschutzklauseln. Diese erlauben es kanadischen  Konzernen (auch kanadischen Tochterfirmen US-amerikanischer oder gar europäischer Konzerne), die EU sowie ihre Mitgliedsstaaten und Bundesländer außerhalb der demokratisch legitimierten Gerichtsbarkeit vor Schiedsgerichten zu verklagen, sofern sie sich durch rechtsstaatliches Agieren von Behörden oder durch Gesetze und Verordnungen in ihren Aktivitäten eingeschränkt und ihre Gewinne dadurch geschmälert sehen. Trotz der fundierten Einwände einer sehr großen Anzahl höchst besorgter EU-Bürger  im ISDS-Konsultationsverfahren, und auch darüber hinaus, wurden die vorgebrachten Argumente von der EU-Kommission hier de facto offenbar komplett ignoriert. Dies alles dürfte Ihnen bekannt sein.

Von Ihnen als niedersächsischem EU-Parlamentarier, SPD-Politiker und Vorsitzenden des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments möchte ich gern wissen, wie Sie persönlich jetzt zu CETA stehen und wie sie gedenken, hier vorzugehen und letztendlich abzustimmen. Ich erinnere mich noch allzu gut an die Veranstaltung zur EU-Parlamentswahl im Braunschweiger Altstadtrathaus Anfang des Jahres, wo Sie sich als Podiumsmitglied explizit dahingehend geäußert haben, dass ein „Freihandelsabkommen“ mit diesen Investitionsschutzregeln Ihre Zustimmung auf keinen Fall erhalten werde. Ist dies immer noch der Fall? Falls ja, müssten Sie ja CETA in der vorliegenden Form doch wohl ablehnen, oder?
 
Darüber hinaus interessiert auch die aktuelle Position der SPD zu CETA. Können Sie auch dazu Stellung beziehen?
 
Über eine baldige Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen. Der Form halber möchte ich darauf hinweisen, dass ich mir in Anbetracht der Relevanz von CETA erlauben werde, Ihre - hoffentlich erfolgende - Stellungnahme einem breiten Personenkreis zukommen zu lassen.
 
Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich im Voraus ganz herzlich.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Dr. Wolfgang Fischer
 
Er bekam folgende Antwort:
 
Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Bernd Lange bat mich, Ihnen zu antworten.
Anbei erhalten Sie das aktuelle Positionspapier von Bernd Lange zum Abkommen EU-Kanada: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/mdep_lange_-_ceta_positionspapier_september_2014_..pdf

Mit freundlichen Grüßen
Anne Bartels

und hier nun seine Erwiderung:

Sehr geehrter Herr Lange,
 
eigentlich hatte ich von Ihnen eine konkrete, persönliche  Antwort zu meiner Anfrage vom 30.08. (s. u.) erwartet und nicht, dass Sie mich mit Ihrem CETA-Positionspapier einfach abspeisen.
 
Darin wird der Eindruck vermittelt, als könnten sich hinsichtlich der Investitionsschutzklauseln noch relevante Änderungen ergeben.  Das ist natürlich Unsinn, denn CETA ist inzwischen ausverhandelt und wird in Kürze paraphiert werden, und Sie können doch wohl nicht im Ernst erwarten, dass die EU-Kommission, die – allen voran Barroso, de Gucht und Öttinger - inzwischen zu einem reinen Ausführungsorgan der Konzerne und ihrer Lobbyisten verkommen ist, hier noch einmal aktiv zu werden gedenkt.
 
Was haben Sie persönlich denn bisher überhaupt gegen die demokratiefeindlichen Investitionsschutzregeln unternommen, die Ihnen angeblich ja nicht gefallen und die vor allem Konzerninteressen festschreiben und über die der Bürger stellen. Warum hört man hier denn nichts seitens der SPD-Führung?  In der öffentlichen Wahrnehmung zumindest ist da bis dato noch nichts angekommen, man laviert hier einfach nur herum. Auch wenn man Ihr Papier liest,  muss sich der Eindruck aufdrängen, dass man CETA letztendlich abnicken wird und die Investitionsschutzregeln dann als „kleineres Übel“ akzeptiert.
 
Sind Ihnen die Konsequenzen dieser ISDS-Regeln denn überhaupt nicht bewusst? Wissen Sie denn nicht, dass unsere demokratischen Grundrechte damit in elementarer Weise ausgehebelt werden können?
 
Sie kennen doch das perfide Beispiel von Vattenfall, das Deutschland wegen des Atomausstieges mit Bezug auf die Energiecharta  aktuell hinter verschlossenen Türen auf mutmaßliche 4 Milliarden € Schadenersatz (das sind etwa 2% unseres Bundeshaushaltes!!) verklagt - auf der anderen Seite aber das Atomgeschäft in Brunsbüttel und Krümmel auf Betreibergesellschaften mit geringem Stammkapital übertragen hat, wohl mit der Zielsetzung, sich später der hohen Kosten für die Entsorgung der Abfälle und den Rückbau der Atommeiler zu Lasten der Steuerzahler zu entledigen.  Was halten Sie denn davon?
 
Insofern möchte ich auch konkret von Ihnen wissen, wie Sie hier vorzugehen gedenken und wie Sie letztendlich zu diesem vorliegenden CETA-Vertrag abstimmen werden. Als Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlamentes sind Sie hier aus meiner Sicht in vorderster Front mitverantwortlich! Machen Sie sich nicht zu einem der Totengräber unserer Demokratie!
 
Über eine baldige Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.  Der Form halber weise ich noch einmal darauf hin, dass ich die gesamte Korrespondenz mit Ihnen einem breiten Personenkreis zugänglich machen werde.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Dr. Wolfgang Fischer
 
 








 

 

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