Montag, 29. September 2014

Korrespondenz mit dem UBA

Anfang  September gab es im Fernsehen einen Beitrag von Panorama, der sich mit Fracking befasste und die Interpretation des Gutachtens des Umweltbundesamtes durch dessen Prasidentin stark kritisierte. Es folgten Rede und Gegenrede. David Widmayer vom Arbeitskreis Fracking Braunschweiger Land nahm den Disput zum Anlass fur ein Schreiben an das UBA. Hier die Korrespondenz:

An das Umweltbundesamt:
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

Ich habe soeben Ihre Stellungnahme gelesen hier:

http://www.umweltbundesamt.de/themen/hat-panorama-recht

Ihre Kernaussage:

"Die Bundesregierung wird demnächst einen Gesetzesvorschlag für die Anwendung der Fracking-Technologie vorlegen. Dies ist aus Sicht des Umweltbundesamtes dringend geboten, da für die Anwendung dieser Technologie in Deutschland bisher kein klarer gesetzlicher Rahmen existiert. Zudem bestehen eine Reihe an Wissenslücken, die Risiken für Mensch und Umwelt bergen können."
Ich bin verwundert übe Ihren letzten Satz.  Nach rund 10 Jahren Erfahrungen mit "high volume slickwater hydraulic fractururing" bzw. mit der Förderung von Öl und Gas aus unkonventionellen Lagerstätten  in den USA gibt eine einen großen Berg von wissenschaftlichen Studien über das Thema insbesondere über die Migration von Frac-Fluiden, Lagerstättenwasser und Gas  und die Kontaminierung von Wasserquellen.  Es gibt Studien über die Emission von Methan und anderen Gasen aus produzierenden Bohrplätzen und Pipelines.  Es gibt wissenschaftliche Studien über die Auswirkung von Fracking auf die menschliche Gesundheit.  Es gibt wissenschaftliche Studien über "Injection Wells" und über die Gefahren von Quarzsandstaub.   Viele dieser Studien sprechen nicht mehr von "Risiken" oder "Gefahren."  Sie berichten über tatsächliche Schäden, die durch Fracking entstehen.

Die Gesetze der Physik, Geologie, Hydrologie usw. gelten weltweit.  Dieselben Unternehmen, die weltweit Öl und Gas fördern, tun das bzw. wollen es mit derselben Technik in Deutschland tun.  Ich habe den Eindruck, diese Erkenntnisse werden in Deutschland gar nicht wahrgenommen.  Schlimm genug, dass Politiker und andere öffentliche Meinungsbilder oft falsche Informationen über Fracking weitergeben.  Wenn eine fachkundige Bundesbehörde diese wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriert, ist das tragisch.

Hier  sind einige Links zu Datenbanken, welche die gesammelten Abstrakten über Fracking-Studien enthalten:

"Fracking, shale gas and health effects: Research roundup"
http://journalistsresource.org/studies/environment/energy/fracking-shale-gas-health-effects-research-roundup#

"Physicians Scientists and Engineers for Healthy Energy"
http://www.psehealthyenergy.org/site/view/1180

Mit freundlichem Gruß

David Widmayer
Mitglied im Arbeitskreis Fracking Braunschweiger Land
 

Antwort:
 
Sehr geehrter Herr Widmayer,
 
danke für Ihre E-Mail vom 8.9.2014 und den Links zu Frackingstudien aus den USA. Unsere beiden Gutachten zum „Fracking“ haben selbstverständlich die Schiefergasgewinnung in den USA sehr genau betrachtet, weil sie dort in großem Maßstab tatsächlich praktiziert wird. Und selbstverständlich werden von uns und unseren Gutachtern die Hinweise zu den Auswirkungen der Schiefergasgewinnung in den USA auf Mensch und Umwelt ernst genommen. Die Frage ist allerdings, ob die amerikanischen Verhältnisse 1:1 auf Deutschland übertragbar sind. Denn die geologischen Verhältnisse und die Rechtsvorschriften unterscheiden sich schon in den beiden Ländern. Dies betrifft jedenfalls die Regelungen zur Bewirtschaftung von Bodenschätzen und die Bohrtechnik- und Umweltschutzvorschriften. Deshalb ist eine direkte Übertragung auf deutsche Verhältnisse schwierig. Mit unseren Gutachten wollen wir gerade dazu beitragen, Umweltschäden, die in den USA aufgetreten sind, in Deutschland zu vermeiden. Deshalb plädieren wir auch für anspruchsvolle Regelungen im deutschen Berg- und Umweltrecht.
Um die noch offenen Fragen zur praktischen Machbarkeit der von uns vorgeschlagenen Risikovermeidungsmaßnahmen zu klären, reichen weitere theoretische Studien nicht aus. Wir schließen uns deshalb der Empfehlung, wissenschaftlich begleitete Forschungsprojekte durchzuführen, an.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Bernd Kirschbaum
 
Bernd Kirschbaum
Umweltbundesamt | Federal Environment Agency
FG II 2.1 Übergreifende Angelegenheiten Wasser & Boden
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Tel.: +49 - (0)340 - 2103 - 2814
 


die Replik:

An 
Bernd Kirschbaum
Umweltbundesamt Federal Environment Agency
FG II 2.1 Übergreifende Angelegenheiten Wasser & Boden


Sehr geehrter Herr Kirschbaum,

Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Antwort vom 18.09.2014.  Ich möchte zu Ihrer Aussage einiges hinzufügen.

Es stimmt.  Amerikanische Verhältnisse sind nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar.  Es muss aber auch nicht 1:1 sein, um die Gefahren für Deutschland durch Fracking einszuschätzen.  Fakt ist, seitdem es Tiefbohrungen gibt, sind sie undicht.  Das gilt weltweit.  Das LBEG in Niedersachsen fühlt sich nicht imstande zu berichten, wie viele undichte Tiefbohrungen in Niedersachsen existieren.  Um das zu tun, müsste jede einzelne Akte gesichtet werden.   Der amtliche Bescheid des LBEG liegt mir vor.   Der Austritt von Gasen wie Methan, Radon andere Gase und Lagerstättenwasser durch weitere unterirdische Wege wie Rissen, alte Bohrlöcher, Schächte und Stollen ist plausibel und in manchen US-amerikanischen Studien nachgewiesen.  Das Wasser findet immer einen Weg. 

Diese Problematik wird durch Verpressbohrungen (Injection Wells) verschärft.  In Deutschland gibt es bereits Ärger mit Verpressbohrungen, die anscheinend nicht ausreichend reguliert oder beaufsichtigt werden.  Eine Zunahme von Öl- und Gasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten wird dieses Problem drastisch intensivieren.  Bei der Förderung werden große Mengen Giftmüll (Flüssigkeiten, festes Material aus Bohrlöchern, fördertechnische Betriebsmittel usw.) entstehen.

Fraglich ist auch die Bereitschaft von deutschen Entscheidungsträgern, einen Prozess mit allen verbundenen Risiken und wie das Amen in der Kirche auftretenden Schäden einzugehen, wenn Deutschland und die deutsche Bevölkerung keinen Vorteil hat. Tankstellen lagern tausenden Liter Kraftstoff in Untergrundtanks, die undicht werden können. Millionen Deutsche fahren Auto, weil sie mit Vorteilen der individuellen Mobilität abwägen.  Von Fracking haben Deutschland und wir keinen Vorteil.   Die Erdgasproduktion aus konventionellen Lagerstätten ist rückgängig.  Die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten würde die Produktion noch einige Jahre aufrechterhalten.  Es wird kein Schiefergas-Boom wie in den USA geben.  Fakt ist, aus Deutschland wird ungefähr soviel Erdgas exportiert wie produziert! (http://www.welt-auf-einen-blick.de/energie/erdgas-export.php und https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gm.html).  Solange Deutschland Erdgas braucht, wird das Land sehr stark von Importen abhängig bleiben.  Die Bevölkerung wird die finanziellen, ökologischen und gesundheitlichen Risiken tragen, während die Erdgas exportierenden Unternehmen die Gewinne einstecken.  Auf diese Risikoabwägung geht kein vernünftiger Mensch ein.

Ein aktuell veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftliches Beirats der Bundesregierung  Globale Umweltveränderungen mit dem Titel "Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung" (http://www.wbgu.de/fileadmin/templates/dateien/veroeffentlichungen/sondergutachten/sn2014/wbgu_gs2014.pdf) drängt auf den schnellstmöglichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. ....  Dieses Gutachten bestätigt den Bericht des IPCC ,International Panel on Climate Change, eine UNO-Behörde.   Nach diesen beiden Berichten müssen wir alles tun, um fossile Brennstoffe in der Erde zu belassen!  Wo werden diesen Erkenntnissen in den Gutachten des UBA Rechnung getragen?

Weltweit werden 150 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr nutzlos abgefackelt.  Die Menge Gas würde die EU vier Monate lang versorgen.  Methan und CO2 tragen zur globalen Erwärmung bei.  Giftige Gase und Feinstaubpartikel sind Umwelt und Gesundheit gefährdend (krasses Beispiel Nigerdelta).   Die Öl- und Gasunternehmen sind nicht daran interessiert, eine Lösung zu finden.  Stattdessen wollen sie mehr Löcher bohren.  Nun, wenn die Unternehmen nur einen Hammer als Werkszeug haben, sehen alle Probleme wie Nägel aus.

Soll es Probebohrungen in Deutschland geben? Ich sage definitiv nein. Die multinationalen Unternehmen arbeiten weltweit mit der gleichen Technik, wo die Gesetze der Physik, Geologie, Hydrologie usw. weltweit gleich sind. Welche neuen Erkenntnisse will man mit Probebohrungen in Deutschland gewinnen? Außerdem wollen diese Unternehmen deutschen Wissenschaftlern ihre Betriebsgeheimnisse nicht verraten, weil sie alles um Fracking und unkonventionelle Öl- und Gasförderung als Betriebsgeheimnis (Proprietary Information) einstufen.

Warum sind deutsche Behörden und Politiker so naiv zu glauben, dass die Unternehmen ihr wissen und Technik mit uns teilen wollen?  Sie wehren sich mit Händen und Füßen!  US-Wissenschaftler dürfen von Bohrplätzen keine Wasser- Boden- oder Luftproben in den USA entnehmen. Die Unternehmen geben kaum Information heraus, weigern sich sogar der US-Umweltbehörde EPA Informationen über die von ihnen eingesetzten Chemikalien mitzuteilen. Auch bei Betriebsunfällen durften die Ärzte in der Notaufnahme nicht erfahren, welchen Chemikalien der Verletzte ausgesetzt wurde. Betriebsgeheimnis! Um Fehler zu vertuschen werden Familien entschädigt, aber nur wenn sie Stillschweigevereinbarungen unterschreiben. Das ist gängige Praxis bei den Öl- und Gasunternehmen in den USA. Ich habe keinen Grund zu glauben, dass diese Unternehmen und ihre deutschen Ableger sich in Deutschland anders als in den USA verhalten werden. 

Das Bundesberggesetz hat seine Wurzeln in einer Zeit vor gut mehr als 200 Jahren.  Es berücksichtigt nicht die gesellschaftliche Entwicklung und die Sensibilität für die Umwelt und die menschliche Gesundheit.  Haftungs- und Beweisbedingungen für Bergschäden gehören auch der Zeit vor 200 Jahren.  UVP-Zwang für Öl- und Gasförderung ab einer täglichen Fördermenge ab 500.000 m³ sind praxisfremd.  Dad  Gesetz darf nicht als Eintrittserlaubnis dienen, damit Unternehmen wie Exxon, Shell, Total, Chevron und ihre deutschen Ableger ihre Gewinne im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Grund absaugen und uns den Dreck überlassen.

Auf den ersten Punkt zurückzukommen: die amerikanischen Verhältnisse sind nicht 1:1 auf Deutschland zu übernehmen.  Es gibt jedoch genug Ähnlichkeiten um die mögliche Förderung von unkonventionellen Erdöl und Erdgas eine Absage zu erteilen.  Nur weil etwas machbar ist, bedeutet nicht, dass wir es machen sollen.  Ihre Kinder und Enkelkinder werden Ihnen dankbar sein.

Mit freundlichem Gruß
David Widmayer
Mitglied im Arbeitskreis Fracking Braunschweiger Land
 






 


 


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